Ging die Kunst baden? Nein. Im Gegenteil. Aber Künstler und Publikum saßen sich tatsächlich mal wieder vis-à-vis im Schwimmbad gegenüber. Spiegelglatt lag das Wasser im Becken des ehemaligen Hallenbad Nord in Ludwigshafen vor einem. Immer wieder überrascht von der Örtlichkeit, platzierte man sich auf der kalten Steinbank am Beckenrand und entdeckte, wie sich das Wasser an einer Stelle ringförmig nach außen kräuselte. Hob man den Blick, bescherte einem die bodenlange Fensterwand mit den schwarzen Vogelaufklebern ein großartiges Bild. Der angekündigte Abendsturm ließ Bäume und Blätter hin und her wehen, wie er wollte. Mehr Tanz brauchte es an diesem Abend, der einem so unerwartet eines der schönsten Kunsterlebnisse in diesem Spätsommer bescheren sollte, fast nicht mehr. Musik und nur noch eine Tänzerin, Petra Müller vom Flamenco-Ensemble Caňa de Azúcar, genügten, um an diesem für Kunst perfekten Ort jenen Zustand zu ermöglichen, der einen hinter die konkrete Wirklichkeit schauen ließ.
Seit knapp zwei Jahren stellt die GML GMBH das als Löschwasser-Reservoir genutzte Baudenkmal als LUcation zur Verfügung, als außergewöhnlichen Ort für Veranstaltungen im Kunst- und Kulturbereich in Ludwigshafen. Am Sonntag füllte nun das erst im vergangenen Jahr gegründete und dennoch bereits zu Recht als Shootingsstar gehandelte Streichensemle „QUINT:essenz“ mit seinem akkuraten Spiel die nach Chlor riechende Schwimmhalle. Sein Programm unter dem Motto „Tänze“ war so übersichtlich und stimmig zusammengestellt, dass es eine Freude war, ihrer Kunst gerade an diesem auch lustig wirkenden Ort wach zu begegnen. Denn, auch das ist zuzugeben: In jedem anderen Konzertsaal hätte man angesichts des hohen Bekanntheitsgrades der ausgesuchten Kompositionen irgendwann damit begonnen, mit den Augen die Innenwände abzuwandern oder die Form des Sitzes vor einem zu studieren. Anstatt Kacheln zu zählen, taucht man nun aber im wahrsten Sinne des Wortes ein in die Musik. Die Weite des in der Zeit stehen geblieben Raumes und die frische, kühle Luft machten tatsächlich möglich, dass Geist und Fantasie auf den prägnanten musikalischen Motiven davon flogen.
Das Thema des „Tanzes“ machte dieses Unterfangen noch leichter. Das Ensemble, in einer Reihe am Beckenrand aufgestellt, schön schwarz gekleidet und damit in einem schmunzeln lassenden Kontrast zur funktionellen Architektur, spielte die „St. Paul´s Suite“ von Gustav Theodore Holst, die „Rumänischen Volkstänze“ von Béla Bartók, mehrere Walzer von Antonín Dvorak und den berühmten „Ungarischen Tanz“ von Johannes Brahms. Die „Five Tango Sensations für Bandoneon und Streichorchester“ des Argentiniers Astor Pantaleón Piazolla bildeten hierbei sowohl musikalisch als auch atmosphärisch den fulminanten Höhepunkt. Parallel zur Abenddämmerung, die den Neonröhren das Recht gaben, visuell die Herrschaft über das Raumbild übernehmen, konzentrierte sich die Wahrnehmung auf die Entfaltung der verschiedenen emotionalen Zustände, von Liebe bis Verzweiflung und Angst, die Piazolla 1989 in ein zwingendes musikalisches, dem Tangos gehorchendes Konzept gebracht hatte. Auffallend auch hier, wie zurückgenommen dennoch Ensemble-Leiter Michael Teichert das Dirigat führte. Auch wenn er jeder Komposition erlaubte, sich in ihren besonderen Charakteristika, ihren Timbres, Tempiwechsel und hauptmotivischen Leitlinien zu zeigen, lag ihm jede Äußerung, die stark in die Emotion oder in den Überschwang gegangen wäre fern. Dies traf auch auf Petra Müller und ihren Tanz zu. Zwei Mal bereicherte sie mit dem Gitarristen Christian Kiefer das dargebotene musikalische Spektrum. Gerade indem sie den Raum mit ihrem herausfordernden Tanz nicht zu übertrumpfen suchte, kreierte sie einen spannungsvollen Ort im Ort.
Autorin: Alexandra Karabelas, erschienen in der RHEINPFALZ, Kultur LOKAL am 26.09.2018
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