In Regensburg schert sich Tanzchef Yuki Mori wenig um die Inszenierungsgeschichte von Don Quijote. Sein witzige Neukreation orientiert sich eher an der US-Serie „Mad Men“.  

Kaum ein anderer Stoff wurde seit seiner Eroberung durch den Tanz bereits von Anfang an derart unterschiedlich von den Tanzmeistern und Choreografen durch den Fleischwolf gedreht und nach Gusto für eigene Erzählungen benutzt wie Don Quijote. Der Held aus dem gleichnamigen Roman von Miguel de Cervantes aus dem 17. Jahrhundert hatte es hundert Jahre nach seiner Erfindung in Wien und Paris auf der Tanzbühne zu Ehren gebracht und diente damals bereits unter anderem Noverre, seinen Rivalen Angiolini zu verspotten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kreierte Marius Petipa schließlich jenes Original für den Spitzentanz, das, von Rudolf Nurejew in den 1960er Jahren in den Westen gebracht,  bis heute das Herz von Ballettliebhabern höher schlagen lässt.

In Regensburg, so scheint es, schert sich Tanzchef Yuki Mori wenig um die Tanzgeschichte des Ritters von der traurigen Gestalt, was man auch ein wenig kritisieren könnte. So zeichnet er gemeinsam mit seiner Dramaturgin Christina Schmidt den Kämpfer gegen die Windmühlen als bindungsunfähigen Geschäftsführer im Anzug, der gerne sein Whiskeyglas schwenkt und seine Angestelltentruppe hierarchisch im Zaum hält ohne darauf zu verzichten nach Feierabend mit Ihnen in einer Bar abzuhängen und sich eine heiße Affäre mit der Kollegin zu überlegen.

Als wichtigste Inspirationsquelle für die Verortung und Ausstattung der Story diente Mori dabei die US-amerikanische Fernserie „Mad Men“, die seit 2007 das deutsche Publikum unterhält – eine in den 1960er Jahren angesiedelte Erzählung über den Werbefachmann Don Draper und sein Umfeld in einer Agentur in New York.

Der Kampf gegen die Windmühlen, ursprünglich Symbol für die durch den Techikfortschritt bedrohte feste Ordnung der Aristokratie, wird vor dieser Folie kurzerhand als Kampf gegen die Liebe interpretiert, nach der sich der Narzist Don Quijote natürlich tief drin sehnt. Nur braucht er eine Weile und zusätzlich den Verlust des Arbeitsplatzes, bis er erkennt, dass die von ihm eingestellte und dann doch gefeuerte Sekretärin Dulcinea seine große und lebensfähige Lebensliebe sein kann. Mori erzählt und inszeniert seine Geschichte so wie sie ist, ohne doppelten Boden oder andere Tiefen, rasant, spritzig, sehr komisch und tänzerisch in einem Bewegungsduktus, an dem man sich nie satt sehen kann. Vieles an seiner modern-fließenden Bewegungssprache, vor allem am Umgang mit dem Fuß und dem gebeugten Bein oder der Arbeit am Rücken, erinnert dabei an seinen Kollegen Christian Spuck vom Opernhaus Zürich wenn dieser nicht auf Spitze arbeitet. Unaufgeregt bedient sich Mori inhaltlich weiterer Motive aus den vielen Ballettversionen, die zu Don Quijote existieren. Den Schlaf und die Albträume interpretiert er so beispielsweise um in das unruhige Schlummern eines erschöpften Nachtarbeiters am Schreibtisch. Auch Léon Minkus Originalkomposition kommt immer wieder zum Zuge.

Hauptgrund für die Freude an dieser Don Quijote-Version ist aber Fabian Moreira Costa, langjähriges Mitglied der Tanzabteilung des Theatres. Ein Ausnahmetänzer von Anfang an ist er heute zu einem Darsteller gereift, der nicht nur wegen seiner Präzision und Vitalität fasziniert, sondern auch Moris Figur eine ungeheure Präsenz und Griffigkeit zu verleihen vermag. Weniger Chance hierzu hatte Neuzugang Laia Garcia Fernàndez, die Mori zu sehr in das Korsett der lieb lächelnden oder bedröppelt schauenden Sekretärin steckte. Der berührende Moment ereignte sich sodann zum Schluss: Fest mit Heiraten beschäftigt und erschöpft vom Charleston Tanzen wehrt Moreira Costa mit der Hand ab, bleibt stehen („Mach halblang, Baby“) und küsst sie, wie ein normaler Mann außerhalb der Inszenierung draußen an der Bushaltestelle, der genug getanzt hat. Das war echt. Und sehr schön. Hier fängt Theater doch erst an.

siehe auch: www.tanznetz.de