Der Werdegang der in Regensburg tätigen Choreographin begann nicht wie bei vielen ihrer KollegInnen mit einer professionellen Tanzausbildung. Sie ist Quereinsteigerin im Bereich des Tanzes und der Choreographie, hat aber vielleicht gerade deshalb einen bemerkenswerten Zugang. Alexandra Karabelas sammelte erste tänzerische Erfahrungen in Tanzschulen und -Sportvereinen und startete erste eigene choreographische Versuche noch im Jugendalter. Aber eine professionelle Tänzerkarriere erschienen ihr persönlich wenig reizvoll, stattdessen absolvierte sie nach dem Abitur ein Studium der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft, der Politikwissenschaft und des öffentlichen Rechts in Tübingen und Genf – und blieb am Tanz dran. Mehrere Jahre lang schrieb sie sich mit Tanzkritiken für diverse Printmedien das, was Tanz bei ihr auslöste und wie er zu begreifen war. Daneben verfolgte sie die Weiterbildungen in der eigenen privaten Tanzpraxis durchgehend weiter. Nach dem Examen wechselte sie schließlich die Perspektive und tauschte Funktion und Blick einer Tanzkritikerin mit jenen einer Rezeptionsdramaturgin und Pressereferentin. Denn einige Jahre, von 2000 bis 2005, ist Karabelas in der Presse-, Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit einer der größten deutschen Tanzcompagnien tätig, wo sie zahlreiche Originalbeiträge, Programmhefttexte und Vermittlungsstrategien konzipierte und verfasste. Das Nachdenken über Tanz setzt sich weiter fort. Von 2008 bis 2010 absolvierte sie den berufsbegleitenden Diplom- und Masterstudiengang “TanzKulturen” der Tanzwissenschaft an der Universität Bern (Schweiz). Alexandra Karabelas blickt also schon früh, jahrelang und zudem mit diesen wechselnden professionellen Perspektiven auf Tanz. Sie analysiert, beschreibt und denkt über ihn nach und über ihn hinaus – auch als Choreographin: seit 2004 erweiterte sie ihre eigene Arbeit für und am Tanz um eigene Choreografien. Neben vielen Artikeln über Tanz unter anderem für OPER und Tanz, das Ballett Hamburg und Tanznetz.de entstanden bis heute mehrere Soli, Duette und Gruppenarbeiten für Tänzerinnen und Tänzer, die alle mehrere Jahre lang in Compagnien getanzt haben. Ihr Zugang zum Tanz ist vielleicht in besonderer Weise kritisch, reflektiert und assimiliert, dabei gleichzeitig sinnlich und spannungsreich und von einem guten Gespür für Bewegungsdramaturgien und Spannungsbögen geprägt. Die von ihr entworfenen Körper- und Bewegungsbilder sind auf die Tänzerpersönlichkeiten zugeschnitten, unikat und kaum übertragbar.

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Denn neben literarischen Vorlagen finden nicht selten gerade politisch brisante, gesellschaftskritische oder psychologisch spannende Themen Eingang in ihre Studien und choreographischen Arbeiten. 2008 wurde sie mit der Tschechow-Adaption „Drei Schwestern“ für das Coaching “Junge Choreografen!” beim Großraumfestival “Tanzen” in Nürnberg ausgewählt. Im selben Jahr entwickelte sie auf Einladung von Dieter Gössler einen getanzten Videoclip über kollektive Ängste, Hysterien und Zustände ihrer Generation. 2009 erarbeitete sie gemeinsam mit Beate Höhn, Micha Purucker und christoph Klimke das städteübergreifende Projekt „Gerüche der Kindheit“. 2010 wurde sie für das Solotanzfestival “Secret Solo” in München ausgewählt. Mit “Zoes Bios Box” für Stephan Herwig äußerte sie sich als erste Künstlerin in Regensburg zur Erschießung des Studenten Tennessee Eisenberg. Seit 2011 arbeitet sie an der Duett-Serie „Hungry Butterflies“: eine Reihe performativer Versuchsanordnungen über Sprache, Begehren und Gestik im Tanz am Beispiel des Paares. Mit dem expliziten Ziel einer besseren Vernetzung und um die Vielschichtigkeit ihrer Arbeit voll ausschöpfen zu können, arbeitet Alexandra Karabelas seit 2009 unter dem eigenen Label „tanz_denken“. Von dort aus schafft sie Tanz und Kommunikation, oder anders: choreographische Praxis, Reflexion und Vermittlung. Seit 2011/2012 setzt sie sich unter dem Stichwort „Tanzplan Regensburg” für die Etablierung einer grundlegenden und transparenten Choreografenförderung in Regensburg ein. 2013 rief sie als Künstlerische Leiterin und Vorstand der tanzstelle R e.V. „Schleudertraum 9: Festival für aktuellen Tanz in Bayern“ und die „2BC // 1. Bayerische Biennale Choreografie“ ins Leben, um den Tanzstandort Bayern zu stärken und die Grenzen zwischen zeitgenössischem Ballett und zeitgenössischen Tanzsprachen weiter integrativ zu verwischen. Denn es geht ihr am Ende immer nur um das eine: den Tanz.