Anlässlich des Tanzjahres 2016 arbeiten erstmals vier bayerische freie Tanzszenen und 17 Choreographen in vier Städten zusammen. Los geht es am 24. September in der Tafelhalle Nürnberg. Weitere Stationen werden am 7., 14. und 15. Oktober das Regensburger Tanzfestival SCHLEUDERTRAUM, die Passauer Tanztage und das Theater HochX in München sein. Sebastian Eilers von der Tanzzentrale Nürnberg, Alexandra Karabelas von der Tanzstelle in Regensburg und künstlerische Leiterin des SCHLEUDERTRAUM-Festivals, Andreas Schlögl aus Passau, Veranstalter der Passauer Tanztage, und Simone Schulte vom Tanzbüro München sind die Architekten des städteübergreifenden Tanz-Tausch-Projektes „TransformanceCityXChange“.

Uli Knoll traf die vier Veranstalter, von denen drei selbst choreographieren, zu einem Gespräch über die Absichten und Notwendigkeiten der Zusammenarbeit im Tanz.

portrait_eilers_foto_privat

Sebastian Eilers

Was bedeutet das gemeinsame Projekt für die jeweilige freie Szene in Eurer Stadt?

Sebastian Eilers: Wir als Tanzzentrale der Region Nürnberg sind sehr daran interessiert, die kommunale Tanzszene künstlerisch dynamisch zu halten. Genau das macht ihre Ernsthaftigkeit aus. Jede Form des Austausches ist gut. Reingucken lassen und Rausgucken. Mitunter ist CityXchange durchaus eine Konsequenz aller bisherigen Vernetzungsanstrengungen.

akarabelas_foto-jpg-541752

Alexandra Karabelas: Seit 2009 habe ich als künstlerische Leiterin des Regensburger SCHLEUDERTRAUM-Festivals die bayerische Vernetzung konsequent vorangetrieben. Mit Nürnberg und Passau hatten wir bereits enge Austauschbeziehungen etablieren können. Nun ist München als Partner für uns dazu gekommen – das freut mich ungemein. Die Regensburger Choreographen profitieren von zusätzlichen Auftrittsmöglichkeiten außerhalb, einer synergetischen Arbeitsteilung, einer höheren Wirtschaftlichkeit der kleinen Produktionen, die da entstehen werden und letztendlich von einer multiplizierten Kommunikationsleistung, die der Sichtbarkeit des Tanzes dient.

Andreas Schlögl: Passau hat natürlich nicht so eine große Szene wie München oder Nürnberg, aber wir sind stolz darauf bei diesem wunderbaren Projekt beteiligt zu sein.

Simone Schulte-Aladag: Das Projekt „Transformance CityXChange“ ist ein Experiment. Wir versuchen ein Arbeits- und Austauschformat für Tanzschaffende aus vier Städten zu entwickeln.  Die ChoregraphInnen können hier einmal abseits ihrer großen abendfüllenden Produktionen an kurzen kleinen Formaten arbeiten. Uns wird die Möglichkeit gegeben, die Kommunikation zwischen den KünstlerInnen und das Interesse aneinander (neu) zu wecken. Im besten Sinn regt dieses Format durch den Austausch mit KollegInnen zur Reflexion über die eigene choreographische Handschriften an.

Was ist Dir als Künstler bzw. Veranstalter besonders wichtig? 

Simone Schulte-Aladag: Das Tanzbüro München hat vor über einem Jahr durch einen Think Tank mit Münchner KünstlerInnen die Initiative gestartet. Gemeinsam mit den VeranstalterInnen und KünstlerInnen aus den anderen Städten eint uns das Interesse, den zeitgenössischen Tanz in Bayern präsenter zu machen. Das Tanzjahr 2016, das mit einer großen Kampagne durch den Dachverband Tanz unterstützt wird, ist ein willkommener Anlass, unsere Arbeiten auch überregional sichtbar zu machen. Dies konnten wir bisher auf den großen Fachkongressen und Messen auch in die Öffentlichkeit tragen. Es geht uns also hier auch um Wahrnehmung !

Andreas Schlögl: Für mich die offene Zusammenarbeit und das Vertrauen untereinander. Ich glaube das tut der gesamten bayerischen Tanzszene gut. Dann natürlich das gemeinsame Auftreten in der Öffentlichkeit.

Sebastian Eilers: Als Neuinterpret eines Konzeptes eines Kollegen strebe ich eine uneingeschränkte Offenheit gegenüber jeder möglichen künstlerischen Aufgabe an. So hoffe ich an Neues, Unerwartetes in mir heranzukommen und es zu bergen. Und als Zaungast des ganzen Projektes sind es die Einblicke in die mir meist noch unbekannten Arbeiten der vielen (alleine) in Bayern choreografierenden Zeitgenossen, die die Chance sein können meine eigenen Arbeiten erneut und anders wahrzunehmen. Als Tanztheaterchoreograf frage mich ständig, wohin meine kreativen Reisen noch weiter gehen können. Als ein Vertreter der regionalen Tanzszene in Nürnberger Raum und als Veranstalter wünsche ich mir, unser heimisches Publikum mit Hilfe aller „Fremd“-Einflüsse mit Unerwartetem zu überraschen und in Verwundern darüber zu versetzen, welche Bandbreite der zeitgenössische Tanz zu bieten hat. Die Komplexität und Vielfältigkeit der bayerischen Szene, sowie erkennbare regionale stilistische Eigenheiten sollte eine Erkenntnis sein, um die wir nach den Performances reicher sind. Es freut mich sehr, dass Veranstaltungspartner Tafelhalle Nürnberg großes Interesse zeigte und sich mit viel Eigenengagement auf dieses experimentelle Ereignis eingelassen hat. Die Tafelhalle mit Intendant Michael Bader ist sogar bereit, sich mit diesem Projekt zu identifizieren: Transformance-CityXchange wird die Spielzeit 2016/17 der Tafelhalle Nürnberg eröffnen.

Alexandra Karabelas: Als ich vor zwölf Jahren aus Stuttgart nach Bayern kam, war mir dortige freie zeitgenössische Tanzlandschaft eine große Unbekannte. Als es darum ging, die regionale Tanzszene in Regensburg auf die Beine zu stellen und zunächst mit Nürnberg , Passau und Dresden zu vernetzen, interessierte mich als Veranstalterin sehr, in welchem überregionalen ästhetischen Kontext wir uns da eigentlich bewegen. So begann ich, nach und nach die einzelnen Künstler und Handschriften in Augenschein zu nehmen, ihre Ansätze kennenlernen zu wollen, sie auch diskursiv und analytisch zu fassen, abgesehen davon, dass mich viele hier begeisterten. Inhaltlich ist unser TRANSFORMANCE-Projekt daher die logische Konsequenz. Als Künstlerin fühle ich mich geehrt, so nah an ein Werk einer Kollegin ran zu dürfen – ich wollte mich unbedingt mit der Arbeit von Sabine Glenz auseinandersetzen und das klappt nun.

Was hat Dich jeweils bis jetzt am meisten an dem Projekt überrascht?

Simone Schulte-Aladag: Es hat mich überrascht, dass die meisten ChoreographInnen ihre KollegInnen aus den anderen Städten gar nicht kennen. Es hat sich gezeigt, dass die Städte untereinander nicht gut miteinander vernetzt sind, und dieses Projekt sollte dazu beitragen, das  in Zukunft mehr Gastspiele innerhalb Bayerns  möglich gemacht werden.

Sebastian Eilers: Mich hat vor allem die enorme Summe der Energie aller bayerischen Tanzschaffenden überrascht – OHA! Die Aufregungen, die die Umsetzung dieses landesweiten Projektes bei den Initiatoren und allen weiteren Beteiligten verursacht hat, war vielleicht zu erwarten, aber in ihrer Präsens dann doch sehr beeindruckend und nicht ausschließlich leicht zu händeln: (An)Spannung, Vorfreude und Respekt, aber auch Skepsis, Bedenken waren u. a. in der Vorbereitungsphase zu erleben. Ein endgültiges Resümee wird sich sicherlich erst durch die Performance aller Neuinterpretationen und die Dokus der Originalwerke erstellen lassen.

Alexandra Karabelas: Mich hat überrascht dass einige der hoch geförderten Choreographen aus den jeweiligen Städten nicht mitmachen, d.h. TRANSFOMANCE-CityXChange als Vernetzungs- und Austauschmodell scheint für jene interessant, die es ein wenig schwerer haben, vom Fleck wegzukommen, ohne dass sie ästhetisch oder künstlerisch schlechter wären. Wie immer man diese Art der Zusammenarbeit in Zukunft variieren wird – sie stärkt die Wahrnehmung von Tanz nach innen und außen und zeigt dass ehrliches Interesse aneinander die Grundlage jeder Zusammenarbeit ist. Nur darüber reden bringt wenig.

Andreas Schlögl: Ich sehe jetzt schon einen Gewinn für alle Beteiligten und ich hoffe, dass das kein einmaliges Projekt bleibt.