Alexandra Karabelas im Gespräch mit Vesna Latinović, Leiterin der DANUBE DIALOGUES 2014 im serbischen Novi Sad 

Eine Email aus Novi Sad. Geschrieben hat sie uns vor einigen Tagen Vesna Latinović, Leiterin des noch bis 24. September laufenden Kunstfestivals DANUBE DIALOGUES 2014. „Ich komme kaum zur Ruhe. So viele Besucher. Kollegen, Kunstprofessoren mit ihren Studenten, viele aus Belgrad. Unsere Erwartungen werden übertroffen.“ Zeit, Fragen von Alexandra Karabelas zu beantworten, hatte sie schließlich trotzdem.

Frau Latinovic, zwei Wochen nach Eröffnung der donumenta-Ausstellung im Museum of Contemporary Art, berichten Sie von einem regen Besucherstrom. Das freut uns sehr. Insofern haben sich die Hoffnungen, die Sie als Leiterin des Kunstfestivals DANUBE DIALOGUES mit der donumenta als Gast in Novi Sad verknüpft haben, erfüllt?

Ja. Denn im Wesentlichen teilen die donumenta und die DANUBE DIALOGUES die Vision, Plattformen für einen Austausch und enge Kooperationen von Künstlern, Kuratoren Museen und Galerien im Donauraum zu fördern und zu entwickeln. Der Donauraum ist schließlich eine reiche und vielfältige Region mit hohem Potenzial.

Vom wem und wie wird das Kunstfestival DANUBE DIALOGUES 2014 unterstützt?

Unser  Festival wird von der Stadt Novi Sad und der Bezirksregierung unterstützt, des Weiteren von Sponsoren wie Erste Bank oder Kunsttrans. Die größten Unterstützer sind die Direktoren und Kollegen aus den Museen, Galerien  und kulturellen Einrichtungen in Novi Sad. Auch die lokalen Medien hören sehr genau hin was wir tun seitdem sie die Bedeutung und das Potenzials unseres Projektes erkannt haben.

Erhalte Sie auch Unterstützung vom serbischen Kunstministerium?

Nein, das serbische Kunstministeriums ist noch nicht involviert. Ich hoffe das ändert sich das nächste Mal.

Wie finanzieren Sie ihr Festival, das doch immerhin über zehn Einzelausstellungen umfasst.

Wir schöpfen aus verschiedenen Quellen. Wie gesagt, das Festival wird teilweise von der Stadt Novi Sad und der Bezirksregierung unterstützt. Weitere Partner sind das Österreichische Kulturforum, die Erlin Galerie in Budapest, die Artmark Galerie in Wien, das Cultural Institute of Vojvodina und das Kulturzentrum Novi Sad, die alle einen nenneswerten Beitrag geleistet haben.

Das Konzept der “Danube Dialogues 2014” ähnelt dem der donumenta, die Auswahl wichtiger Positionen im Donauraum Kuratoren aus den einzelnen Donauländern zu überlassen. Wo liegen die Unterschiede? Und was stellen, aus serbischer Perspektive, Hauptthemen eines Dialogs im Donauraums dar?

 

Das sehr komplexe Konzept der “Danube Dialogues” besteht darin, ausgewählt von jeweils lokalen Kuratoren, zeitgenössische Kunstszenen aus jedem Donau-Anrainer zu präsentieren und Gruppenausstellungen mit zeitgenössischer Kunst aus dem Donauraum zu realisieren. Das wird in diesem Jahr mit der donumenta-Ausstellung “14 x 14” auf brillante Weise verwirklicht. Eine weitere wichtige Aufgabe unseres Festivals sehen wir darin, einzigartige Kunstdialoge zwischen Künstlern aus Serbien und Partnerländern herzustellen. In diesem Jahr haben wir vier slowakisch-serbische Ausstellungen, die von Sava Stepanov kuratiert worden sind. Im vergangenen Jahr initiierten wir die serbisch-österreichen Kunstdialoge. Wir sind darüber hinaus sehr daran interessiert, spezifische Fragestellungen zu entwickeln und richten daher Round Tables und Symposien ein, in diesem Jahr zum Thema “Kunst und Krise”. Wir hatten zudem während des Eröffnungsreigens ein THINKtent in Aktion, wo Menschen in einem Zelt sitzend, über Bedingungen von Kunst sprachen.

Was macht die serbische Kunstszene in Europa stark?

Für mehr als zwanzig Jahre hat sich die zeitgenössische serbische Kunst unter den Bedingungen einer langfristigen sozialen Transformation entfaltet. Der Systemwechsel hat aber zu lange gedauert und infolgedessen wurde die Krise, die ein unvermeidliches, aber auch flüchtiges Phänomen ist, in die Kunst hinein verschoben und selbst zu einer ihrer Bedingungen. So generiert solch eine tiefe Krise Zusammenbrüche im Standard sozialer Normen, schwächt Standards generell und verringert den Wert von festen Kriterien in allen Lebensbereichen. In Milošević’s Jugoslawien und in den postmodernen 1980er-Jahren und danach wurden die Kunst und die Künstler kontinuierlich überwacht und ihre Arbeit wurde oft geringschätzend betrachtet. Sie erhielten nicht nur Kritik. In vielen Fällen wurden sie auch bestraft. Unglücklicherweise wurden, sogar nach dem demokratischen Wechsel ab Oktober 2002, die Bedingungen nicht geschaffen, um ein reguläres System etablieren zu können, das der künstlerischen Arbeit Würde und Aufgabenvielfalt sicherstellen hätte können. Trotz der Tatsache, dass sich in diesen fatalen 1990-er Jahren des 20. Jahrhunderts aktivistische Strömungen in der serbischen Kunst behauptet haben, waren damals ausdrückliche Tendenzen vorhanden, die Moderne in Serbien wiederzubeleben, so dass fortschrittliche, wieder bestätigte Ideen eines Bewusstseins der Moderne der politischen Praxis empfohlen wurde. Die Kunst hat mit ihren Botschaften in jener Zeit hat definitiv zum Demokratisierungsprozess beigetragen. Die herrschenden Strukturen aber haben, wenn man so will, all die ästhetischen und ethischen Prinzipien die in jener Zeit erreicht worden waren, vergessen. Um die Wahrheit zu sagen: Nach dem Jahr 2000 wurde die Kunst in Serbien weder kontrolliert noch bestraft. Sie wurde aber komplett ignoriert. Seit fast zwanzig Jahren sind zwei der wichtigsten Nationalen Kunstmuseen, das Nationalmuseum und das Museum für Zeitgenössische Kunst in Belgrad angeblich wegen Renovierung geschlossen, während das Museum für Zeitgenössische Kunst der Region Vojvodina in Novi Sad seit fast einem halben Jahrhundert ohne ein eigenes Gebäude jeweils für eine bestimmte Zeit in unterschiedlichen Gebäuden untergebracht ist. Die Infrastruktur der Galerien ist unter dem erwarteten Standard und kann nicht in geeigneter Weise künstlerische Ereignisse oder Errungenschaften herausstellen. Es gibt aber auch keine Hoffnung auf eine schnelle Erholung der Umstände weil im Staatshaushalt kaum ein Budget für die Kunst aufgestellt wurde. Es beträgt nur 0,6 Prozent des letzten Staatshaushalts. Trotz alledem ist es jedoch so, dass in Sebien heute eine sehr lebendige, pulsierende und fähige Kunst zuhause ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Siehe auch: www.donumenta.de.

Weitere Beiträge zum Thema in der Mittelbayerischen Zeitung sowie in der Bayerischen Staatszeitung und der Landshuter Zeitung.