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TANZ_DENKEN … es ist nun acht Jahre her  dass ich mir für das was ich am liebsten tue, aus den beiden Wörtern „TANZ“ und „DENKEN“  und der „Leerstelle“ zwischen dem Phänomen und der Tätigkeit Inseln der Identifikation, oder, cool, ein Label, gegeben habe. Seitdem mäandere ich für viele andere und für mich selbst zwischen all den damit verbundenen Möglichkeiten, immer wieder das unsichtbare, energetische, vor- , nach- und nichtsprachliche Phänomen des Tanzens und seines choreographierten Produktes, des Tanzes, mit Aktionen des Geistes, also des Schreibens oder des Besprechens oder des Ankündigens zu verbinden.  

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Heute, am 31.07.2016 habe ich die Freude anzukündigen, dass in den kommenden Wochen ein BLOG wachsen wird, und zwar auf www.accesstodance, gewidmet unserem ersten großen SZENE-Projekt in Bayern, TRANSFORMANCE CityXChange. 

Ich danke Nina Hümpel im Namen des TRANSFORMANCE CityXChange-Teams sehr für diese herrliche Möglichkeit, dem Tanz eine schriftliche Referenz zu erweisen und wünsche viel Freude beim Lesen

ERSTER EINTRAG: 31.07.2016

Tanz_Denken, Alexandra Karabelas: "A.s Reigen"; Peanuts Dance Ensemble

Zugegeben: Es ist ein in seiner Weise verrücktes Projekt.

Als wir vor über einem Jahr beim Bayerischen Landesverband in München zusammensaßen, wir Aktivisten, Vereinsvorstände und Choreographen von der Tanztendenz, der Tanzstelle R, der Tanzzentrale und dem Tanzbüro aus Nürnberg, Regensburg und München, und wir unser erstes gemeinsames Projekt, das heute den Namen TRANSFROMANCE CItyXChange trägt, aus der Taufe zu hoben, wussten wir natürlich nicht en Detail wie wir uns da aufeinander eingelassen haben.

Heute, ein Jahr später, und ein paar Wochen vor den Premieren, fühlt sich TRANSFORMANCE CityXChange an, als ob wir in Kürze im September die Tanz-Bundesliga-eröffnen oder wie Xavier Naidoo - nur nicht in Südafrika ! – sondern, ohne Meeresrauschen im Rücken, in Bayern in einem virtuellen auf viele Orte verteilten Produktionshaus hocken und statt Songs heftigs unsere Stücke tauschen und Ästhetiken in die Luft werfen! – 17! Choreographen mitsamt ihren Tänzern, Dramaturgen und Technikern im Schlepptau sind also aktuell unter dem Dach von TRANSFORMANCE CityXchange im Freistaat EN CREATION, schieben quer durchs blau-weiße Land DVD´s, Fotos, Erinnerungen, Erläuterungen und neue Ideen durch die Gegend. Das Resultat wird sein, dass 13 Uraufführungen und noch einige Stücke mehr an vier Tagen im September und oktober auf den Bühnen zu sehen sein werden: in der Tafelhalle Nürnberg, beim SCHLEUDERTRAUM-Festival in Regensburg, im Theater Hoch X in München und bei den Passauer Tanztagen.

Wir informieren ab heute in diesem BLOG alle paar Tage über people to meet, pieces to create, things to do und places to go! Hierfür befragen wir laufend unsere Kollegen, so zum Beispiel STEPHANIE FELBER aus München, die uns auf die Frage: WELCHE HOFFNUNGEN SETZT DU INSBESONDERE IM TANZJAHR 2016 IN DIE KUNST DES TANZES UND DER CHOREOGRAPHIE? antwortete:

Liebe zu geben anstatt sich zu bekriegen.

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ZWEITER EINTRAG: 07.08.2016

Liebe zu geben anstatt sich zu bekriegen, antwortete die Münchner Künstlerin Stephanie Felber auf die Frage, welche Hoffnungen sie 2016 mit dem Tanz verbinde. Tanzkunst als die radikale, absolute Alternative – wenn es um die Freiheit geht, sich auszudrücken, sind wir in Europa tatsächlich gesegnet, auch wenn ich manchmal den Eindruck habe, dass wir das in der eigentümlichen, dem Tanz typischen Debatte um das, was „gute“ Choreographie und „guter“ Tanz sei, vergessen.
Ganz aus dem Inneren heraus zu schaffen, das nimmt tatsächlich Katrin Hofreiter für sich in Anspruch. Ich kenne Katrin seit rund 12 Jahren als Tänzerin und Choreographin in Regensburg und der Oberpfalz. Vor 22! Jahren hat sie ihre erste Choreographie entworfen, bis heute hat sie knapp 20! Stücke kreiert – Soli für sich selbst, Tanztheater für behinderte und nicht behinderte Menschen, Musiker und andere Künstler. Ein tanzender Mensch irgendwo im Norden Bayerns fern ab der sogenannten Metropolen wenn ich das mal so sagen darf. Kristallisations- und Höhepunkte der Tanzgeschichte haben Katrin ebenso inspiriert zu ihrer Arbeit wie Alltägliches. Movens ihres Ausdruckswillens bleibt jedoch immer Lebensfluss mit all seinen Überraschungen und Herausforderungen.

Katrin Hofreiter_Susanne Neudecker

2014 hat sie „schwanfeld“ kreiert – aus der Lust heraus, einmal „Schwanensee“ selbst zu tanzen und die inneren Bilder zu bergen, die sich während des Tanzens in ihr aufscheinen.

Mit „schwanenfeld“ setzt sich derzeit der Münchner Künstler Ludger Lamers auseinandersetzen. Hör mal, Katrin:

Katrin Hofreiter

MAL EHRLICH: WARUM LÄSST DU EINEN KOLLEGEN AN EIN STÜCK ODER AN EINEN AUSSCHNITT EINES STÜCKES VON DIR RAN?

Mein Stück ist ein Solo das ich für mich selber geschaffen habe. Ich tanze meine tief empfundene Wahrheit darin. Es ist für mich ein wahnsinnig tolles und aufregendes Experiment zu sehen, wie ein Tänzer in diese Wahrheit schlüpft und seine Wahrheit darin findet und zum Ausdruck bringt. Ich kann es kaum

erwarten wie seine Wahrheit aussehen wird.

BESCHREIBE, WAS DICH ALS GEBERIN KÜNSTLERISCH AN DER ARBEIT DEINES KOLLEGEN FORDERT ODER REIZT?

In den Vorgesprächen habe ich Ludger Lamers als sehr offenen, kreativen und erfahrenen Künstler kennen lernen dürfen. Mich reizt an seiner Person die Vielschichtigkeit und Transparenz die er beim Arbeiten hat. Es ist sehr spannend zu sehen, wie er aus seinem Repertoire schöpft und neu zusammensetzt, Neues entwickelt und das sehr breit gefächert.

WORIN FINDEST DU GRENZT DU DICH VON DER ARBEIT DES KOLLEGEN AB?

Ich denke meine Arbeit ist völlig frei von jeglichem akademischen Denken.

NENNE MIR DREI PUNKTE: WAS IST DIR ALS CHOREOGRAPHIN EIGENTLICH WICHTIG?

Die Zuschauer mit auf eine Reise zu sich selber zu nehmen. Die Wahrheit zu suchen und zu zeigen. Tanz als Ausdrucksmittel in seiner pursten und reinsten Form zu finden und damit Stimmungen, Beweggründe, Gefühle und einfach das ganze Spektrum des Seins darzustellen.

WELCHE HOFFNUNGEN SETZT DU INSBESONDERE IM TANZJAHR 2016 IN DIE KUNST DES TANZES UND DER CHOREOGRAPHIE? 

Ich hoffe dass Tanz noch mehr in das Bewusstsein der Menschen gerät und sie diese wertvolle Gabe der Menschen noch mehr schätzen lernen. Ich hoffe dass die Künstler sich noch mehr vernetzen, sich gegenseitig stärken und eine große tolle Energie dadurch verbreiten.

WAS MACHST DU NACH DEM TANZEN UND KUNST MACHEN?

Viele Dinge die der Seele gut tun: im Garten arbeiten, ein gutes Buch lesen, wertvolle schöne Gespräche mit Freunden führen,

Marmelade und Chutneys kochen, entspannen.....

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DRITTER EINTRAG: 15.08.2016

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Unser Projekt bewirkt, dass aus anderen Gründen als sonst ein Choreograph in einer anderen Stadt vorgestellt wird. Ludger Lamers, ein Künstler, der Jahrzehnte seines Lebens dem Tanz, dessen Energie und freier Formfindung gewidmet hat, ist hier ein gutes Beispiel. Seine Arbeit wird den Spielplan u.a. des Regensburger SCHLEUDERTRAUM-Festivals bereichern weil er Regensburger Choreografie kommentieren wird – in irgendeiner Form! Ich bin ziemlich gespannt darauf wie er sich konkret Katrins Arbeit nähern und was er wie in sein ästhetisches Verständnis übersetzen wird. Zudem nimmt sich Sabine Glenz aus M seiner Choreographie „Le Sceptre E La Marotte“ an und wird damit sozusagen den Münchner Kommentar zu Ludgers Arbeit liefern! Daher gehen wir gleich in medias res und lassen den Meister in unserem 5-Fragen-5-Antworten-Spiel selbst zu Wort kommen. Die Überschrift des Wort-für-Wort-Interviews könnte lauten:

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Multiple Choice als choreografische Strategie

 

LUDGER, WAS IST DIR ALS CHOREOGRAPH EIGENTLICH WICHTIG?

Antwort A: das Choreographieren, die Choreographie, der Choreograph als Schöpfer

Antwort B: körperliche Fitness, geistige Fitness, seelische Fitness

Antwort C: bildende Kunst, Architektur, Wissenschaft

 

MAL EHRLICH: WARUM LÄSST DU EINEN KOLLEGEN AN EIN STÜCK  VON DIR RAN?

Antwort A: Lebenserhaltung, Weiterentwicklung, Fokuswechsel

Antwort B: Zufall entscheidet wer, Spass am Wie, uninteressiert am Warum

Antwort C: Ich habe keine Besitzansprüche an meine Arbeit ! Ich verschenke gerne mein ausgedientes „Hab und Gut“ ! Ich unterrichte das „Ranlassen“ in meinen workshops !

 

WIE WAR DEINE REAKTION ALS DU ERFAHREN HAST MIT WELCHEM STÜCK DU DICH AUSEINANDERSETZEN DARFST?

Antwort A: Cool!!! Geil!!! Wahnsinn!!!

Antwort B: Dann als doch noch!!! Genau der Richtige Moment!!! Ich hab´s gewußt, dass ich dem in diesem Leben nicht entkommen kann!!!

Antwort C: Klassische Basis, Zeitlose Fragestellungen, liminale und jenseitige Räume

 

BESCHREIBE, WAS DICH ENTWEDER ALS GEBER ODER ALS NEHMER KÜNSTLERISCH AN DER ARBEIT DEINER KOLLEGIN / DEINES KOLLEGEN FORDERT ODER REIZT?

Antwort A: Als Nehmer werde ich nicht mit dem Bildmaterial des „ursprünglichen Werkes“ in Kontakt kommen

Antwort B: Als Geber treffe ich auf eine Kollegin, von der ich vor

vielen Jahren mehrfach eher genommen habe

Antwort C: Als Nehmer reizt mich das Erspüren femininer Blickwinkel,als Geber bin ich neugierig auf die eventuell partielle Digitalisierung einer höchst manuellen und analogen ursprünglichen Arbeit

WORIN FINDEST DU GRENZT DU DICH VON DER ARBEIT DER KOLLEGIN / DES KOLLEGEN AB?

Antwort A: Mann/ Frau

Antwort B: Die Grenzen sind fließend

Antwort C: in nichts Wesentlichem

WELCHE HOFFNUNGEN SETZT DU INSBESONDERE IM TANZJAHR 2016 IN DIE KUNST DES TANZES UND DER CHOREOGRAPHIE?

Antwort A: Das Machen stehe dem Wort voran!

Antwort B: Die Tanzkunst möge ihre Schritte an ungeahnten Orten auseben, und sich dort zu ungeahnter Zeit erscheinen, so dass Abonnementund Sitzplatzkarte wertlos werden.

Antwort C: Die internationale Kommunikation dieser Kunst solle sich auf andere Lebensbereiche übertragen und dort Frieden stiften.

WAS MACHST DU NACH DEM TANZEN UND KUNST MACHEN?

Antwort A: Ich werde tanzen und Kunst machen!

Antwort B: Ich werde eine kurze Pause machen!

Antwort C: Frührentner sein, aus der KSK austreten und Tanz-und Kunst- Therapie for free anbieten.

Ludger Lamers: Bei 3 richtigen Antworten aus 3 unterschiedlichen Fragen kann man 3 Gegenfragen stellen, die sich ihrerseits wiederum auf 3 verschiedene Sachverhalte dreier Kunstsparten beziehen dürfen. Bei weniger als drei „Treffern“ können 3 unabhängige Kunstexperten den 3- stufigen Wertigkeitsrad der „Nieten“ auswerten und 3 „Durchgefallene“ mit einer außerordentlichen Erläuterung mindestens dreier künstlerischer Kriterien doch noch in die 3. Spielphase aufnehmen.

Herzlich,

Eure Alexandra Karabelas

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VIERTER EINTRAG: 01.09.2016

Noch knapp drei Wochen und unsere erste TRANSFORMANCECityXChange-Premiere geht in und mit der Tafelhalle Nürnberg über die Bühne. Es werden mehrere neue Kurzstücke zu sehen sein, im Moment stehende Produkte, zum Genießen, Überlegen, Sehen, Spüren. Was aber ist TRANSFORMANCECity im Innern und derzeit? Das wichtigste an den bevorstehenden Aufführungen ist, dass sie Zwischenstopps von Prozessen sein werden, die sonst kaum in dieser parallelen vielfalt in Gang gekommen wären. Die Künstlerbegegnung ist das Herz der Geschichte, eine Art diskrete fortbildung zu zweit, die dann zustande kommt, wenn man feststellt: Hey, die oder der tickt ganz anders wenn es um Bewegung, Theatralität und die Art des eigenen Tanzens geht. In Nürnberg wird auch Susanna Curtis dabei sein, ausgerechnet mit einem Kommentar zu meinen eigenen Tanztheater-Entwürfen „Peanuts 1+2“ aus den Jahren 2009 und 2010.

Peanuts_3 Peanuts 1 Fotos: Hubert Lankes

Natürlich haben wir für unseren Blog auch Susanna befragt:

Susanna Curtis PS Susanna Curtis in „P.S Susanna Curtis“

WIE WAR DEINE REAKTION ALS DU ERFAHREN HAST MIT WELCHEM STÜCK DU DICH AUSEINANDERSETZEN DARFST?

Ich war begeistert, weil Alexandras Arbeiten mich immer fasziniert haben, obwohl sie eine ganze andere Denkweise und Herangehensweise hat, als ich habe. Wir machen beide Tanztheater, sind aber trotzdem sehr unterschiedlich. Als Alexandra mir drei Komplett-Versionen ihrer „Peanuts“ als DVD gab, fühlte ich mich zuerst überwältigt und leicht überfordert. Ich dachte: „Wie gehe ich mit so viel „Peanuts“ Material um? Hilfe!! Wo docke ich mich an? Was ist für mich der Kern? Nachdem ich alles angeschaut habe, finde ich die Entwicklung in den Versionen total konsequent und bin gespannt, wie und was ich daraus mache. Ich habe die Buchstaben von „Peanuts“ genommen und neu arrangiert.   Rausgekommen ist „Na, puste!“ – Peanuts deconstructed, die Nüsse frisch gemischt, neuer Wind rein geblasen und ta-dam! Mit den Recherchen für „Na, puste!“ fange ich übrigens mit den Darstellungen der verschiedenen Paarbeziehungen in dem Stück an.

WORIN FINDEST DU GRENZT DU DICH VON DER ARBEIT DER KOLLEGIN AB?

Na ja, die politischen Statements in Alexandras Arbeit sind sicherlich nicht mein Ding, interessieren mich gerade deswegen. Meine eigene Arbeit ist eher erzählerisch. Man kann in meinen Stücken meistens eine Geschichte von A bis Z folgen. Mal sehen, ob ich bei „Na. Puste!“ auch eine Geschichte erzähle.

WELCHE HOFFNUNGEN SETZT DU INSBESONDERE IM TANZJAHR 2016 IN DIE KUNST DES TANZES UND DER CHOREOGRAPHIE?

Ganz ehrlich habe ich hier in Nordbayern wenig von dem großangekündigten Tanzjahrs 2016 gemerkt. Wo ist das Geld, wenn es Geld gab, hingeflossen? Nichtsdestotrotz freue mich enorm auf unser TransformanceCityXchange Projekt. Es gab jetzt schon interessante Begegnungen und mit den verschiedenen Auftrittsmöglichkeiten im Herbst in den vier Städten freue ich mich auf noch mehr Austausch – sowohl auf künstlerischer als auch privater Ebene. Ich hoffe, es entsteht eine nachhaltige Wirkung, dass wir hier im Süddeutschland näher zusammenrücken und gemeinsam stärker auftreten können – Kraft durch Zusammenhalt.

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FÜNFTER EINTRAG: 15.09.2016

Es war 2009, als Beate Höhn aus Nürnberg den Gedanken in die Welt setzte, dass Choreographen in Bayern zusammenarbeiten um auf eigenständige Weise Kreationsprozesse und Performance-Möglichkeiten über die eigenen Stadtgrenzen hinaus zu generieren. GERÜCHE DER KINDHEIT in Nürnberg, München und Regensburg war so gesehen und wenn auch im Rückblick unter unglaublichen Anstrengungen realisiert die schöne Geburtstunde jener Entwicklung im tanzenden Freistaat, die jetzt im TRANSFORMANCE Xchange-Projekt einen Höhepunkt hat. Dass wir mit dem Gedanken der Künstlerzusammenarbeit eine bescheidene Flughöhe erreicht haben, beweist das neue Projekt von Judith Hummel und Sabine Glenz. Sie werden für das Jahr 2017 aus dem TRANSFORMANCE-Choreographenkonsortium und deren ästhetischen Verständnissen ein neues Projekt generieren, das wir, natürlich, auch in Regensburg zeigen werden.

Im Rahmen unseres Tanz-Tausch-Projektes hat Judith Hummel ihre wunderbaren „Papierdialoge“ an die Nürnberger Choreographin Barbara Bess übergeben:

In der Auseinandersetzung mit dem Gedankengut von Judith Hummel zu „Papierdialoge“ interessiert mich das Material Papier als Dokumentations- und Projektionsfläche von Gedanken die auftauchen wenn wir uns bewegen. Gedanken die zu Worten und Sprache werden die der Körper in Bewegung zu Papier bringt. Worte und Papier als verdichtete Feinstoffe die eine Brücke im Dialog zwischen Performer und Publikum bilden,“

erzählte Barbara Bess im Vorfeld. Hier sei nur kurz erinnert an Stefan Drehers Solo „Song“ für Cheri Isen die in scheinbar unendlicher Wiederholung der immer gleichen Bewegungen, begleitet von Tönen, nach und nach einen sich zur Vollständigkeit bildenden Satz performt. Kraftvoll schimmert am Tanzhorizont hier natürlich auch William Forsythes vorausschauendes Installations-Statement HUMAN WRITES von vor zehn Jahren im Gedächtnis auf. Die Dimension des Körpers in Bewegung verbunden mit dem Logos ist ein Grundaxiom wenn es um Tanz geht. Die Verantwortlichkeiten hier auszuloten – eine Aufgabe der Kunst. Gerne lesen wir hierzu die Antworten von Judith Hummels:

Judith, NENNE MIR DREI PUNKTE: WAS IST DIR ALS CHOREOGRAPH EIGENTLICH WICHTIG? 

Ich suche erstens nach Dialogen, die mich berühren, in der Annahme, dass ich so andere Menschen bewegen kann; zweitens akribische Prozesshaftigkeit, mit hoffentlich genug Luft zum Atmen. Und drittens: Ich nehme mir Zeit und ich gebe Zeit.



judith-hummel
MAL EHRLICH: WARUM LÄSST DU BARBARTA BESS AN EIN STÜCK VON DIR RAN? 

Zunächst war da eine große Unbekümmertheit bezüglich meines Besitzanspruches auf ein künstlerisches Produkt, eine Idee, die nicht allein durch mich entsteht, sondern immer mit allen Beteiligten im Dialog. Als die Transformance-Idee erstmals aufkam war ich mit dem Begriff des Teilens beschäftigt und habe mich nicht mit möglichen 'Folgen' beschäftigt. Für mich stellte sich nicht die Frage warum, sondern warum nicht? Was spricht dagegen Ideen, Gedanken, ein Resultat an jemand anderen eigenverantwortlich abzugeben bzw. zur Verfügung zu stellen? Ich konnte erstmals nur einen Gewinn darin erkennen. Fest stand für mich immer, dass die "Originalarbeit" losgelöst von der Neuinterpretation ist. Daher vielleicht auch meine Unbekümmertheit. Ich sah und sehe mich als (Impuls-)Geberin, die Arbeiten voneinander unabhängig. Nehmerin wollte ich selbst nicht sein.

Der bisherige Verlauf des Projekt im Bezug auf den Kontakt, den Austausch zur Nehmerin beläuft sich auf einige wenige Emailverläufe. Das heißt, erst einmal habe ich etwas zur Verfügung gestellt, ohne weitere Ansprüche darauf. Zugegebenermaßen hat mich das im Verlauf des Projekts begonnen nervös zu machen, nachdenklich gestimmt bezüglich meines impulsiven Gebertums, ob das klug, sinnvoll war oder doch leichtsinnig, unüberlegt? Ob es stimmt, dass ich keine Erwartungen und Ansprüche habe? Und die Frage: was ich davon eigentlich will, was ich mir davon verspreche...

In diesen Gedanken versuche ich meine erste Unbekümmertheit beizubehalten, loszulassen und es als einen weiteren Prozess zu sehen, in dem ich offen bleibe, für das was kommt oder eben auch nicht kommt.

WELCHE HOFFNUNGEN SETZT DU INSBESONDERE IM TANZJAHR 2016 IN DIE KUNST DES TANZES UND DER CHOREOGRAPHIE? 

Für mich ist der Kontakt zum Körper etwas Wesentliches in unserer heutigen Gesellschaft, tatsächlich etwas Politisches. Es gibt Momente in einer Berührung mit einem anderen Menschen oder in einem Moment am Boden, in dem ich bei mir bin und denke: "mehr braucht es nicht…alles in Ordnung." Wenn ich das versuche auf unsere Weltsituation zu übertragen, dann geht das nicht. Aber ich glaube es gibt etwas Heilsames im Kontakt mit anderen Menschen und im Kontakt zum Körper. Ich möchte fragen, kann so viel Grauen passieren, wenn wir miteinander in einem guten Kontakt sind? Und im nächsten Moment klingt die Frage albern. Die Blase, Tanz zu schaffen, Choreographie zu schaffen, sich mit dem Körper zu beschäftigen, kann unglaublich klein sein, aber wenn ich es größer denke, dann kann Tanz unsere Aufmerksamkeit und Achtsamkeit verändern, indem ich Situationen Gewicht verleihe, Verletzlichkeit sichtbar mache. So kann ich eine Arbeit wie die PAPIERDIALOGE in einer Zeit wie der unseren heute verankern. Ich bin dankbar, mich mit der Materie beschäftigen zu dürfen.

WAS MACHST DU NACH DEM TANZEN UND KUNST MACHEN?

Warum die Frage nach dem 'NACH'? Ich bin der Überzeugung, dass alles was ein Mensch tut, Folgen und Spuren hinterlässt. Daher würde ich nicht von einem NACH sprechen, sondern von Transformation von – nach – über.... Die Kunstform Tanz ist Teil meines Lebens, prägt mich, begleitet mich, egal was NACH ist oder kommt. Ich möchte Kunst nicht als ein VOR und NACH denken. Es ist für mich ein Sein, eine Einstellung. Wenn ich will, kann ich alles zu (Tanz-)Kunst erklären. Es gehört ein Denken und Handeln dazu.

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