Kunst zwischen Motivation und Reaktion

Die donumenta bei den DANUBE DIALOGUES 2016 am 6. September in Novi Sad, Serbien

Die DANUBE DIALOGUES (29.08. bis 15.09.2016), ausgerichtet von der BEL ART GALLERY in Novi Sad unter der Leitung von Vesna Latinović, bilden eines der wichtigsten, jährlich stattfindenden Feste aktueller visueller Kunst aus dem Donauraum. 2014 war die donumenta mit ihrer Ausstellung „14 x 14 – Vermessung des Donauraumes“ dort zu Gast im Museum Of Contemporary Art. In wenigen Tagen, am 6. September 2016, vertritt donumenta-Leiterin Regina Hellwig-Schmid erneut die donumenta bei den DANUBE DIALOGUES. Auf dem international besetzten Symposium „The Artist and the Global Insecurity – art, critics, politics“ – „Der Künstler und die globale Bedrohung der Sicherheit – Kunst, Kritik und politische Prozesse“ (http://danubeartfest.org/programme-2016/) spricht sie über Kunst zwischen Motivation und Reaktion. Im Zentrum steht die Frage ob und wie der einzelne Mensch vor dem Hintergrund der Erfahrung globaler Bedrohung in und mit der Kunst Zugang und Möglichkeiten zu Harmonie und Ästhetik findet. Alexandra Karabelas hat sie vor der Abreise befragt:

Regina Hellwig-Schmid_Novi Sad

Wie würden Sie die Arbeit von Künstlern im Spannungsfeld von Motivation und Reaktion beschreiben?

RHS: Die Kunstschaffenden sind in der Regel empfängliche und empfindsame Wesen und somit häufig Seismografen gesellschaftlicher Entwicklungen. Sie spüren das Rumoren in der Gesellschaft und in der Welt vielleicht eher und sind in der Lage dies auch darzustellen. Der Künstler schafft darüber hinaus seine Werke. Für ihn ist Kunstmachen, Leben und Profession eine Einheit, eins, es gibt keine Trennung, sondern nur verschiedene Möglichkeiten der Artikulation, wie zum Beispiel malen, installieren, texten, filmen, musizieren oder performen. Dadurch scheinen Künstler prädestiniert den Menschen mit ihren Werken auf Fragen und Zweifel, Antworten zu geben, weil sie selbst die Welt aushalten und verarbeiten müssen. Denn der Künstler arbeitet aus dem Drang heraus – unabhängig davon wo er oder unter welchen Umständen er lebt. Er arbeitet in Freiheit und in Gefangenschaft, er arbeitet öffentlich und im Verborgenen.

Wann wird ein Künstler ein politischer Künstler?

„Politische Künstler“ arbeiten mit der Politik und dem Tagesgeschehen und allen gesellschaftlich relevanten Themen – von Umwelt, über Terrorismus bis hin zur Klimaveränderung. Ihre persönliche oder kollektive Motivation ist es den Betrachter und die Gesellschaft ganz zeitnah auf Geschehnisse aufmerksam zu machen und Veränderung herbeizuführen, vielleicht sogar die Welt verbessern zu wollen.

Wen nimmt man eher wahr – den politischen Künstler?

Auch wenn der «politische Künstler» zuweilen eine höhere mediale Aufmerksamkeit erhält, sind es am Ende nur wenige – ich verweise hier nur auf die Guerrilla Art ActionGroup, FEMEN oder Pussy Riot. Sie machen vielleicht ein Prozent aller Kunstschaffenden aus. Dies aber bedeutet jedoch nicht, dass die anderen 99 Prozent, die ihre Kunst im Atelier oder Freien kreieren, unpolitische oder nicht gesellschaftlich motivierte Kunst gestalten. Auch die Darstellung oder Verwendung von scheinbar schönen Motiven in der Kunst, explizit Blumenstillleben, können von hoher politischer Bedeutung sein. Viele Herrschenden und Revolutionäre haben zum Symbol einer bestimmten Blume gegriffen, um ihre Ziele mit einem Zeichen symbolisch aufzuladen. Die weiße Rose der Widerstandsbewegung der Nationalsozialisten, die rote Nelke als Blume der Linken, die Mimose als Blume der Frauenbewegung oder die Begonie als Macht-und Nationalsymbol Nordkoreas sind hier gute Beispiele. Die Zahl, der Künstler, die auf diese Weise arbeiten und auf politische Ereignisse und wie Global insecurity oder Terrorismus antworten ist groß. Das ungarische Künstlerduo LŐRINC BORSOS hat dies großartig in seinem Werk „Language of Flowers“ (2014) aufgearbeitet.

Gibt es seit 9/11 mehr politische motivierte Kunstproduktionen? Reagieren die Künstler verstärkt auf politische Entwicklungen, Terror und Krieg?

Beantworten kann ich die Frage nicht. Aber gefühlt ist es so. Am Kunstmarkt kann man durchaus feststellen, dass sehr viele effektheischerische Fotografien entstanden sind. Bilder der Menschen, die sich aus den brennnenden Türmen gestürzt haben, oder des verheerten Ground Zero. Oder Ai Wei Wei. Er stellte mit dem eigenen Körper einen auf der Flucht übers Meer ertrunkenen Jungen nach.

Das Symposium wird auch die Frage aufwerfen, inwieweit Kunst in Zeiten der Unsicherheit und Bedrohung ein Gefühl der Schönheit und Geborgenheit, des Schutzes und der Ästhetik vermitteln kann.

Realität und Imagination können meines Erachtens im Kunstschaffen durchaus parallel existieren ohne sich je zu tangieren. Gleichermaßen können die Menschen Trost oder Angst und Schrecken aus den unterschiedlichsten oder sogar aus der gleichen Darstellung erfahren. Kunstwerke enstanden zu allen Zeiten, sowohl in Frieden, Wohlstand, als auch in Armut, Krieg, Terror und globaler Unsicherheit. Immer gab es Künstler, die sich auch bildhaft mit schwierigen und grausamen Themen wie Kriegen auseinandergesetzt haben, aber gleichzeitig gab es Künstler die sich ausschließlich der Darstellung des Schönen gewidmet haben. Hier stellt sich tatsächlich als eine von vielen Fragen die Frage wer uns eher Trost in schwierigen Zeiten bietet – die politischen Künstler und die Aktivisten, diejenigen, die uns die Wahrheiten um die Ohren hauen oder die Künstler, die uns mit „Schönheit“ verwöhnen oder gar manchmal einlullen? Who knows, die Antwort darauf muss ich schuldig bleiben.

Inwiefern gibt die donumenta auch in Zukunft politischer Kunst Raum?

Die donumenta wird unter anderem ihre Fotoausstellung «14 x 14 – Vermessung des Donauraumes. Momentaufnahmen.» im Jahr 2017 in weiteren Ländern der Donau-Makroregion präsentieren, konkret in Montenegro, Bosnien und Herzegovina, Slowenien und Kroatien.  In ihr wird besonders die gesellschaftspolitische Stellungnahme der donumenta-Künstler deutlich. Nennen möchte ich zum Beispiel Mladen Miljanovic aus Bosnien & Herzegovina, der mit seinem Projekt „I serve art“ 2006/2007 seinen vorangegangen Militär- und Kriegsdienst in der Kaserne in Banja Luka absolvierte, die später zu seiner Kunstakademie wurde. Diesen persönlichen Prozess, sowie die Veränderung besser Umnutzung des Gebäudes hat er in seinem Kunstwerk aufgearbeitet.