Mit der Junior Dance Company und Unterstützung für die freie Szene baut sich das EinTanzHaus neu auf

Von Alexandra Karabelas

Kaffee kochen, sitzen und die Sonne durch die offene Tür in den Raum blinzeln lassen. Die laufenden Veränderungen, von denen zu erzählen ist, brauchen Ruhe und Gelassenheit. Seit fünf Jahren existiert der Trägerverein, seit drei Jahren in Stein und Beton das  EinTanzHaus in der Mannheimer Trinitatiskirche. Die Gründer: der begnadete Choreograf Eric Trottier, Künstler par exczellence, und die Graphik-Designerin und Konzeptentwicklerin Daria Holme. Den Umbau des sakralen Raumes zu einer Produktions- und Spielstätte für Trottiers Residenzcompanie und Künstler der gesamten freien Tanzs-, Musik- und Performancezene im Rhein-Neckar-Raum hatten die beiden damals in nur vier Monaten gestemmt, ebenso die Aufnahme des Spielbetriebs und das Ausprobieren dessen, was mit wem als Kooperationspartner möglich sein wird. Das Tüpfelchen auf dem „I“ entstand, obwohl von Anfang an mitgedacht, im Jahr 2018: Die Junior Dance Company unter der Leitung der klassisch und zeitgenössisch ausgebildeten Tänzerin Julie Pécard, die auch das vielseitige Kursprogramm am EinTanzHaus leitet, und Tänzer, Performer und Choreograf Jonas Frey mit seinen Wurzeln im urbanen Tanz. „Ich finde die Kombination der beiden als Leitungsteam klasse. Sie könnten von ihren tänzerischen Hintergründen und ihren Persönlichkeiten her kaum besser die Jugendlichen ansprechen“, findet EinTanzHaus-Leiterin Daria Holme.

Vor wenigen Wochen präsentierte die Junior Dance Company ihre zweite Uraufführung, „Zooming In“, getanzt von  mittlerweile nicht mehr sechs, sondern  zwölf Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren aus dem gesamten Rhein-Neckar-Raum. Manche waren über Freunde zur Junior Dance Company gestoßen oder weil sie entweder einen Trailer oder gar eine Vorstellung gesehen hatten. Andere hatten Pécard und Frey auf ihrer Acquise-Tour durch Schulen gefunden. Acht Sonntage und zwei Intensivwochen stand ihnen dann ab Frühjahr als Produktionszeitraum zur Verfügung. Wegen des Lock Downs mussten sie sofort in die digitale Arbeitsweise wechseln, erzählt Frey: „Das hat uns als Gruppe zusammengeschweißt. Von den Eltern hörten wir, dass sie froh waren, dass die Jugendlichen durch die Tanzaufgaben aus ihrem Trott Zuhause herauskamen“. 

Wie ihr gemeinsames Erstlingswerk „Future First“, das im Sommer 2019 seine umjubelte Premiere feierte und bereits im Pfalzbau Ludwigshafen zu sehen war, sollte „Zooming In“ mindestens sechs Mal gezeigt werden. Realisiert wurden zwei Vorstellungen. Die geplanten Schulvorstellungen, Gastspiele, überhaupt die ganze Weiterentwicklung der Junior Dance Company unter anderem im Rahmen einer Zusammenarbeit mit „Jugend forscht“ haben sie in die nächste Spielzeit verschoben. „Normalerweise wäre ich in der ersten Jahreshälfte auch mit eigenen Projekten viel unterwegs gewesen“, berichtet Frey. Stattdessen saßen sie zuhause. Ein finanzielles Polster hatte keiner von ihnen. Neben der digitalen Gruppenarbeit bastelten Pécard und er an ihren Homepages, erhielten die staatliche Sofort-Hilfe von 1.180 € pro Monat, waren erleichtert über gezahlte Ausfallhonorare und den Fortbestand der Junior Dance Company, die ab Herbst ihre berufliche Existenz teilweise absichern wird. Deren öffentliches wöchentliches Training für alle interessierten Jugendlichen findet jedenfalls ab September wieder jeden Dienstag Abend ab 17 Uhr statt; eine dritte Uraufführung ist zudem geplant. „Das Thema soll dann von den Tänzern kommen. Wir helfen nur,  in einen kreativen Arbeitsprozess zu kommen und daraus ein gemeinsames Stück entstehen zu lassen,“ so Frey. Er sitzt seit kurzem mit  im Vorstand des EinTanzHauses für das Themen- und Interessenfeld der freie Szene.

Auch das gehört zur  Phase der Besinnung und Umstrukturierung, in der sich das EinTanzHaus seit einiger Zeit befindet. „Es hat sich gezeigt, dass die Doppelfunktion aus einer Mitgliedschaft im Vorstand und in der Geschäftsführung mit nur zwei Personen insgesamt nicht funktioniert,“ erinnert sich Holme. Denn stimmen nur zwei ab, gibt es entweder die Einstimmigkeit oder eine Patt-Situation. „Es war mir von daher ein ganz starkes Anliegen, den Vorstand zu vergrößern, verschiedene Expertisen hineinzunehmen, die Arbeit aufzuteilen und klare Strukturen zu schaffen“, so Holme, die die Veränderungen der freien Szene gerne und genau im Blick hat. Diese schließt sich seit einiger Zeit zusammen, um mit einer Stimme zu sprechen. „Wir müssen uns für nachhaltige Strukturen einsetzen“, drängt Frey, und Pécard erläutert, dass es beispielsweise in Heidelberg praktisch keine Aufführungsmöglichkeiten für die geförderte freie Szene gibt. Das EinTanzHaus möchte hier  ein noch stärkerer Partner werden, sowohl was die Nutzung von Räumen betrifft aber auch die Realisierung von entstehenden Projekten und Performances.„Ich möchte das Haus für unterschiedliche Akteure öffnen“, wünscht sich Holme. Fraglich ist vor diesem Hintergrund, welchen Platz EinTanzHaus-Gründer Eric Trottier und seine Residenzcompagnie in Zukunft in der Trinitaskirche einnehmen wird.  Auf konkrete Nachfrage erzählt Holme, dass der gebürtige Kanadier bis Dezember noch Residenzchoreograf bleibe. Für die Zeit danach werde derzeit verhandelt. Zu unterschiedlich seien die Auffassungen und Interessen darüber gewesen wie das EinTanzHaus nach innen und außen in den nächsten Jahren strukturiert und geführt werden solle, erwähnt die alleine Leiterin, der eines am Herzen liegt: Vielfalt und flache Hierachien.

Erschienen am 7.8.2020 in der RHEINPFALZ